Willkommen in der Welt des Schmerzes!

Woche 3: Blocktherapie mit Thomas ...

Thomas startet diese Woche in die erste harte Phase der Blocktherapie. Die erste von drei Wochen mit 5 Therapietagen beginnt. Wie es ihm dabei ergeht erfahren wir nun genau von ihm selbst.

Woche 3 beginne ich mit einer düsteren Vorahnung, es wird hart werden 5 Tage à 3-4 h!
Wie hart ahne ich bei meiner Ankunft im Gesundheitszentrum noch nicht.

Wie gewohnt startet er mit unsere Ergotherapeutin in das Gangtraining. Doch dieses Mal erwartet ihn etwas Neues. Im Lokomat wird nicht nur das physiologische Gangbild verbessert, sondern auch die motorische Fähigkeiten, wie unter anderem die Koordination. Hier wird unsere Ergotherapeutin sehr kreativ und fordert ihn immer wieder auf neue Weisen heraus.

Wieder beginnt die Woche mit einer Runde im Lokomat. Beim Anlegen der Beinmanschetten fühle ich mich diesmal wie ein Ritter der von seinen Knappen für das bevorstehende Turnier gerüstet wird. Jeder Handgriff sitzt, wo wir anfangs 30 Minuten gebraucht haben, bin ich mittlerweile nach 15 Minuten startklar. Diesmal zieht meine Therapeutin das Tempo jedoch von Beginn an deutlich an. Bereits nach 10 Minuten sind Führungskraft und Gewicht (siehe Woche 2) auf ein Maximum hochgefahren. Ich laufe in dieser Konfiguration etwa 10 Minuten bei 2 km/h und habe kurz das Gefühl in meine Einzelteile zu zerfallen. Fragen meiner Therapeutin wie: „Geht’s noch? Alle gut bei dir?“ kommentiere ich mit einem mannhaften, wenn auch merklich kurzatmigen „Ja, klar“.

Plötzlich höre ich „Ich mach dich mal wieder etwas langsamer.“ Was ich kurz für einen Akt der Gnade halte, entpuppt sich als böse Falle. Meine Therapeutin fragt „Kannst du eigentlich gut werfen?“ ich antworte „Nein und fangen auch nicht, warum?“ „Weil ich dachte wir könnten mal eine Runde Ball spielen!“ Wie bitte????

Bevor ich es richtig begreife werfen wir uns wechselseitig einen kleinen Ball zu. Wie ich es durch meine spastische Lähmung gewohnt bin kommen sich Arme und Beine bei gleichzeitiger Betätigung in die Quere. Die ersten Würfe sind eher hoch als weit und 3 von 4 Bällen fange ich nicht… Nach wenigen Minuten versagt die Kraft der Beine und der Lokomat bleibt stehen… Na das kann ja heiter werden. Geduldig sucht meine Therapeutin nach den idealen Einstellungen, die es mir erlauben zu werfen und zu fangen und gleichzeitig den Lokomat am Laufen zu halten. Zumindest der läuft am Ende ohne Aussetzer weiter…


Wie gewohnt geht es dann für Thomas mit einer Trainingseinheit weiter. Diese Woche wir der Fokus sehr stark auf die Arme und den Oberkörper gelegt. Damit soll erreicht werden, dass Thomas sich von allein besser aufrichten kann. Neben seiner spastischen Lähmung kommt bei ihm auch eine Skoliose der Wirbelsäule hinzu. Dabei hat sich von klein auf seine Wirbelsäule in verschiedene Richtungen „verbogen“. Dies erschwert ihm ein natürliches Aufrichten des Rumpfes.

In der Trainingseinheit setzen wir diesmal alles auf Schultern, Rumpf und Arme und die Haltungsübungen aus Woche 2 lassen sich bereits gut in mein Training integrieren. Jippie! Weiter geht’s mit Kaatsu. Wir starten mit aufstehen, stehen und hinsetzen. Was banal klingt wird dank dem vorhandenen Druck in den Beinen schnell zur Tortur. Aufstehen und hinsetzen passieren langsam, fast in Zeitlupe. Ich Mühe mich krampfhaft Spannung in meinen Beinmuskeln aufzubauen und die Innenrotation meines schwächeren linken Beins zu korrigieren.

In den Kaatsu – Einheiten wird er stark gefordert, um ein freies Gehen zu ermöglichen. Unser Sportwissenschaftler versucht ihn dabei an seine persönlichen Grenzen zu bringen. Immer wieder nimmt er ihm jegliche Unterstützung, sodass Thomas für ein Bruchteil einer Sekunde frei laufen muss.

Nach 5 Minuten läuft mir der Schweiß aus allen Poren! Mein Therapeut kommentiert das mit der Aussage „Ah schöne rote Bäckchen hast du, die Durchblutung stimmt, dann können wir ja jetzt laufen“. Gefühlt habe ich gerade noch Kraft für einmal aufstehen. Wieder darf ich seine Hände als Stütze greifen. Während ich mit der Grazie eines Elefanten durch die Halle stapfe, läuft mein Therapeut im Rückwärtsgang vor mir her. Ich Kralle mich in Runde 1 förmlich in seine Arme. Bevor wir uns auf den Rückweg machen erklärt er mir, dass er mir nun bewusst weniger Halt geben wird und ich mich so wenig wie möglich auf Ihn stützen soll – gekoppelt mit dem Versprechen „Solltest du wirklich fallen, ich bin da - versprochen“.

Immer wieder fordert unser Sportwissenschaftler Thomas heraus. Gibt ihm immer weniger Unterstützung um ihn frei laufen zu lassen. Unbemerkt nimmt er ihm mehr und mehr den Halt.

Nackte Panik steigt in mir auf und meine Urangst beim Laufen auf die Schnauze zu fallen macht sich breit. Ich stammle etwas von „… ich weiß nicht ob ich schon soweit bin.“ Mein Therapeut kommentiert das mit einem selbstsichern „Das werden wir gleich herausfinden.“ Der Rückweg wird zum Höllenritt! Beine die eine Tonne wiegen, ein schwankender Oberkörper und das ungute Gefühl mit jedem Schritt gleich auf dem Parkett zu liegen. Dazwischen immer wieder die Stimme meines Therapeuten „mach dich groß, schön aufrichten, laaangsam, atmen nicht vergessen, hab keine Angst, vertraue deinen Beinen!“ Bei allem Stress, sein Zureden tut mir gut! Zweimal muss er sein Versprechen dann auch einlösen. Das stärkt mein Vertrauen – er ist wirklich da. Die restlichen Runden verlaufen ähnlich.

Nach 2 ½ Stunden anstrengendem Training, darf sich Thomas noch bei unsere Bobaththerapeutin ausruhen und durchmobilisieren lassen. In der Therapie wird, in ständiger Absprache mit der Ergotherapie und unseren Sporttherapeuten, besprochen, auf welchen Bereich der Fokus gelegt wird.

Mein Montag endet mit Physiotherapie und Dehnübungen – Eine Wohltat. Während ich zur Decke des Therapieraums blicke realisiere ich das wir heute Montag haben. Mein Körper ist sich sicher, dass wir bereits Freitag haben!

Der Rest meiner Woche läuft im selben unvermindert harten Tempo weiter. Ball werfen, fangen, Kaatsu, FPZ, Armtraining, Rumpftraining – ich kriege das volle Programm, mit ordentlich Nachschlag! Am Donnerstag schmerzt mein Körper, überall! Besonders meine Sprunggelenke leiden. Sehnen, Muskeln und Bänder meiner Füße müssen so viel leisten wie noch nie. Die Physiotherapeutin kümmert sich mühevoll mit Massagen um diese Schwachstelle. Sie leistet großartiges, wie einen Boxer macht Sie mich jeden Tag fit für die nächste Runde. Man lässt mich wissen das wir jederzeit etwas zurückschalten können, wenn es zu viel wird. Ich verspreche mich zu melden wenn irgendetwas wirklich nicht gehen sollte. Als ich an diesem Abend auf dem Sofa liege, fühle ich mich wie vom Bus überrollt…

Die Trainingseinheiten werden zusätzlich noch durch ein FPZ – Training erweitert. Dadurch soll die Rumpfmuskulatur von Thomas gekräftigt werden. Vor allem wird hier versucht die Kommunikation mit der Muskulatur zu verbessern. Um somit das Training gezielter voran zutreiben. Inzwischen hat sich hier schon eine Routine der Abläufe gebildet.

Auch der Freitag verläuft nach den bekannten Mustern. Beim Kaatsu-Training sind wir einen sprichwörtlichen Schritt weiter. Ich halte mich beim Laufen nicht mehr an den Handgelenken meines Therapeuten fest. Stattdessen hat er sich zwei Holzstangen unter die Arme geklemmt die er mir entgegenstreckt. Das hat 3 Vorteile: Einerseits schont es seine Handgelenke, andererseits sorgen die Stangen für einen gewissen Abstand zwischen uns, was mein reflexhaftes vorwärtsstürmen bremst. Und zu guter Letzt kann er mir so das Gefühl des natürlichen Pendelns beim Gehen vermitteln (wozu er die Holzstangen wechselseitig zieht und schiebt), linkes Bein, rechter Arm – rechtes Bein linker Arm.

Das Ganze wirkt recht wacklig auf mich. Ich komme mir vor wie eine Marionette in der Augsburger Puppenkiste. Nach Ende der dritten Runde lobt er mich „Super, das war richtig gut!“ ich nuschle etwas von wegen „Na so genial war das noch nicht… fühle mich wie ein Flamingo der die Hosen voll hat…“ Mein Therapeut sieht mich fragend an „Weißt du wo wir am Montag waren?“ Ich verstehe nicht… er greift meine Unterarme und stützt sich voll auf sie. „Am Montag war es das!“ heute... mit einem Ruck habe ich wieder die Stangen in der Hand, die sich rhythmisch bewegen „Heute war es das hier!“ Erst in diesem Moment begreife ich was wir gemeinsam in 5 Tagen geschafft haben. Wir grinsen beide.

Der Erfolg den Thomas sich in diesen 3 Wochen schon erarbeitet hat, lässt sich auf die fantastische Eigenmotivation und das Zusammenarbeiten des Teams zurückführen. Eine Blocktherapie findet nur dann wirklich Anklang, wenn alles miteinander harmoniert, funktioniert und alle an einem Strang zieht.

Als ich in mein Auto steige muss ich mich mit aller Kraft am Dachgepäckträger festhalten um die Füße ins Auto zu kriegen, ein Glück ist das Ding auf Handgas umgerüstet. Meine Gedanken rasen, was für eine Woche! Während ich mich beim Abendessen durch meine Gemüsepfanne kaue, frage ich mich wie ich das noch 2 Wochen durchstehen soll. Mit einem Mal taucht wieder die innere Stimme auf die mir das alles eingebrockt hat: „Komm schon man, jetzt nicht nachlassen! Du weißt warum du das hier tust – Du weißt was du willst – Also los, geh und hol es dir!“ Ich muss grinsen, meine Beine tun verdammt weh, aber die Arme noch nicht… Ich beschließe, dass das die richtige Einstellung ist und beende meinen Freitag mit je 3 Sätzen Hanteltrainig für Schulter, Bizeps und Trizeps.

Somit hat Thomas die erste Woche von dreien „überlebt“. Ob er sich das Ganze nochmals für zwei weitere Wochen antut, erfahren Sie im nächsten Beitrag. Bleiben Sie gespannt.

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